31.8.21 – 14.11.21, 19:00, Gruppenausstellung

Wir stolperten den Hügel hinab und begegneten einer Form

Algen, Moose, Harze, Wachse, Öle, Worte, Gefühle, Handlungen, Ansprüche, Ankündigungen, Sehnsüchte, Konventionen, Moden, Schwemmholz, feine Häarchen, Botenstoffe, Vibrationen, sehr alte Echos.

Die Gebinde zu öffnen und die Begriffe zu verunklaren. Hinaus- und Hineingekrochen in das Sein und Werden mit und im Anderen.

Natürlich ist das Gebinde kein Endpunkt, sondern sein momentaner Zustand.

Und es ist wiederum verwoben mit und geformt durch die Eigenschaften, die wir in ihm zu erkennen glauben.

Eröffnung am Dienstag, 31. August ab 19h

Aber wo und was in diesen sich immer neu findenden Bindungen war denn nun meine Rolle?

Und was davon kommt von mir und was wird mir von diesen materiellen Mitarbeiterinnen und Genossinnen vorgeschlagen - nahegelegt - aufgedrängt?

In vermischten Rollen und wechselndem Maße mit Heinrich Dietz, Michael Dobrindt, Henri Michaux, Sybil Montet, Alessandro Pignocchi, Theresa Rößler, Lea Schürmann, Sebastian Stein, Lily Wittenburg und Anderem.

Produzent*innengespräch Mittwoch 29. September, 19 Uhr

Unter dem Tisch hindurch krabbelte ich in Richtung Fenster, von wo aus ich die Mauersegler beobachtete. Es war September, wieso waren sie noch hier? Sie sollten doch längst woanders sein. Es ließ sich auch nicht sagen, ob sie tief oder hoch flogen. Meine Augen folgten ihrem Flug. Ich musste vergessen haben, dass es Vögel waren. Ich bat sie hinein, flog dann gemeinsam mit ihnen durch die Ausstellung, durch die Bücher im Regal, entschuldigte mich für diese violette Unordnung, die auch die Buchseiten einfärbte. Es musste etwas ausgelaufen sein. Mir war auch extrem übel von all dem Text.

Ich erinnerte mich daran, dass wir beim Zusammenstellen und Aufbauen versucht hatten, uns noch stärker von den Dingen, der Stimmung, dem Licht und den Klängen leiten zu lassen. Sehr viel intensiver zum Material hinzusinnen und wahrzunehmen, was es noch war und tat. Den Fäden und Verbindungen, die sich auftaten und ergaben zu folgen. Anstatt nur unsere Vorstellungen und Ideen von ihm durchzusetzen. Es für unsere Zwecke zu benutzen. Es ging darum, uns von dem Material an die Hand nehmen zu lassen. Uns an es abzugeben. Darum, dieses Abgeben und uns an die Hand-nehmen-lassen zu kultivieren.

Davor hatten wir lange Zeit unsere Gesichter auf dem Screen angeschaut. Wie sie da so wackelten, lachten, ohne Körper sprachen und nach Verbindung suchten. Dabei die Finger auf den warmen Tasten, dieses unmerkliche Summen. Die Bücher neben mir, auf dem Tisch, wie sie immer größer wurden und sich langsam in meinen Kopf schoben. Die Pflanze auf dem Fensterbrett, wie sie in meine Augen kippte. Der Boden unter meinen Füßen und durch den Stuhl unter meinem Gesäß, wie er sehr sehr tief dröhnte. Der Kaffeegeruch in der Luft, der meine Rezeptoren anfeuerte. Draußen damals schon das zischend-wummernde Vorbeijagen der Mauersegler. Und die Stimmen und Worte und Bilder aus dem device; der code, durch meine Augen und Ohren in meinen Körper.

Filmscreening von Leviathan (Lucien Castaing-Taylor & Véréna Paravel, 2012) im Kino im Sprengel Donnerstag 14. Oktober, 20.30 Uhr

Es verging eine Weile, bis ich mich langsam aufrichtete. Ich wusste nicht mehr, ob ich schlafe oder mich einfach vergessen hatte. Vielleicht verließen mich die strikten Aufforderungen des morgigen Tages.

24h ACID SURVIVAL Training mit dem ACID COLLÈGE in der Paul Dohrmann - Schule Freitag 10. bis Samstag 11. September

Diese Intimität des Materials, dachte ich, blickte auf mich zurück, veränderte ihre Pfade, löste sie auf und drehte sich. Dieses Wabern, dieses eigenartige Wabern, das ich irgendwann bemerkte, war wie eine Fragmentierung oder eine Verflüssigung, eine Vermengung ohne klare Angaben, ohne Richtung, ohne Karte – eher ein Schwarm, der um mich herum mit mir pulsierte.

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Freiburg.

Die Vergemeinschaftung ist nicht planbar.

Auch die Stoffe, die sich nicht miteinander verbinden können.

Wie ist da Werden zwischen ihnen? Wie lassen sich Verbindungen herstellen?

Mit mir und zwischen uns?

Eher unmerklich.

Reißt alles auf, gebt den Untergrund frei.

Einen ungekannten Untergrund, der das Material freisetzt. Und uns auch.

29.9.21, 19:00 - 21:00, Veranstaltung

Produzent***innengespräch

an Stelle einer Führung machen wir ein Gespräch mit den Produzent*innen der Ausstellung: mit Heinrich Dietz, Michael Dobrindt, Theresa Rößler, Lea Schürmann, Sebastian Stein und Lily Wittenburg.

Die Ausstellung Wir stolperten den Hügel hinab und begegneten einer Form ist über einen längeren Zeitraum gemeinsam aus vermischten Rollen und wechselndem Maße von Heinrich Dietz, Michael Dobrindt, Henri Michaux, Sybil Montet, Alessandro Pignocchi, Theresa Rößler, Lea Schürmann, Sebastian Stein, Lily Wittenburg und Anderem entstanden. An diesem Abend werden wir darüber sprechen, wie wir vorgegangen sind, was dabei wie funktioniert hat, was wir gerne anders machen würden und inwieweit es sich überhaupt davon sprechen lässt, dass es uns gelungen ist, uns “vom Material an die Hand nehmen zu lassen”.

1.12.22 – 2.12.22, 16:00 - 22:00, Veranstaltung

SELF_SABOTAGE & PROTESTANT_WORK_ETHIK - Karaoke Version

Workshop mit Lily Wittenburg:

Donnerstag 1.12.2022 // 16.00h - 20.00h
Freitag 2.12.2022 // 15.00h - 19.00h
Freitag 2.12.2022 // 20.00h Karaoke & Vorführung (öffentlich)

The workshop can be held in english if required.

Der Workshop ist offen für alle Altersgruppen, Disziplinen und Arbeitsbereiche. Wir heißen die Amateure, die Arbeitslosen, die Faulenzer, die Überehrgeizigen und alle Menschen, die jemals von der Zermahlungs-Kultur betroffen waren, willkommen. Wir werden Stimmungen kultivieren, nach einem zeitgenössischen Äquivalent zum Holzschuh des Saboteurs suchen, uns der »protestantischen« Arbeitsethik unserer Eltern widmen und mit Mitteln des automatischen Schreibens, des automatischen Sprechens, des Karaoke-Singens und Holz hackens uns ausruhen.

Eintritt: Snacks

Wir bitten freundlichst darum verbindlich an beiden Tagen zu erscheinen.

Anmeldungen bitte bis zum 29.12.2022 per mail@kunstverein-langenhagen.de

Das Wort Sabotage geht auf jene Arbeitenden zurück, die, als der Streik ihrer Arbeitskraft wirkungslos blieb, ihre Holzschuhe in die Maschine warfen, um sie, wie Sand im Getriebe, zum Stillstand zu bringen. Die damit einsetzende Unterbrechung eröffnete einen Spalt, der Raum für Unvorhergesehenes bot. Wenn heute das Selbst die Maschine ist und sich wie ein Unternehmen organisiert, was wäre dann der Schuh? Wie fiele er in den Kopf? Und kann der überhaupt noch stillstehen? Dass im Stillstand des Kopfes Ungeahntes passiert, erinnert jedes Gehirn.

Die Arbeitsmoral, ist ein verwaschener Gesang, vor dem Hintergrund eines leeren Orchesters. Beim Refrain fällt allen der Text wieder ein und brüllt als gemeinschaftliche Plattitüde über das dudeln der bis aufs minimalste reduzierten und von jedweder Magie befreiten Synthesizerspur. Das Radio hat uns komponiert. Vage hören wir noch die Popsongs aus der Jugend, die uns eine schlechte alte Idee einhauchten, nämlich die an uns zu arbeiten, um für das Kapital zu arbeiten. Wir haben lange genug in einem Zustand der Erosion gelebt.
Jetzt schauen wir unter den schweren, befleckten Teppichen, nach verinnerlichten Haushälterinnen und Gesetzeshüterinnen, die uns mit unklaren Befehlen zurück gelassen haben.

Unsere Zeit ist im Großen und Ganzen eine Zeit des Stresses und der Gewohnheit unvollständiger Arbeit; ihre Produkte sind unschön und unruhig und solche, an denen die Zukunft keine Freude haben wird. Eine überanstrengende Arbeitsmoral zerstört nicht nur den Arbeiter, sondern auch das Werk. Eile und die damit einhergehende Anspannung zerstören schleichend die Umwege im Denken. Selbstsabotage scheint ein Weg, den Versuchungen einer bequemen Position in einem ruinierten System zu widerstehen. Da wir von Verschlungenen verschlungen sind, können wir nichts sabotieren, ohne zuerst uns selbst zu sabotieren.

Selbstsabotage, das Ich-Unternehmen zerlegen, bedeutet der Hast der Geschäftigen entkommen. Gut möglich, dass wir im Vermeiden von Arbeit eine so ernsthafte Zerstreuung finden, dass uns die Welt erträglicher wird. Der Holzschuh, der die eine Maschine zum stocken bringt, erscheint dann als derjenige, der zurückgelassen, das Gehen erst ermöglicht.