Wir sind nie getrennt gewesen
Wir sind nie getrennt gewesen - jenseits von Natur und Kultur
Donnerstag 7.9. 19 Uhr Eröffnung
Samstag 23.9. 19.30 Uhr Produktionsgespräch + Führung (mit Michael Dobrindt, Birte Heier und Sebastian Stein)
Samstag 4.11. 20 Uhr Screening von Melanie Bonajos Night Soil Trilogy
Donnerstag 9.11. 19 Uhr Vortrag und Gespräch mit Dr. Boniface Mabanza Bambu
Dreck, Erde, Matsch, Gerüche, Gefühle, Haare, Überborden. Warten, Sorgen, Jammern, Essen, Ameisen in der Küche. Sterile Räume, saubere Trennungen, glatte Oberflächen, rasierte Haut, perfektes Ineinandergreifen. Intellekt, Smart, Fortschritt, Disziplin, Kontrolle, Gift für die Ameisenkönigin. Der Wind, der weht, Zooporno, flirrende Sporen, Erotikschreine, Wellen, die schwappen, Erde, die arbeitet. Atomwaldgeister, Mutterleiber, pulsende Datenströme, blubbernde Därme, Botenstoffrituale, Kunstmatsch, Techmagie, Selbsthingabe.
Das Ausstellungs- und Veranstaltungspaket Wir sind nie getrennt gewesen geht der sich auflösenden Vorstellung der Getrenntheit der Sphären von Natur und Kultur nach. Als Ausstellung mit Beiträgen von Centre Parrhèsia/Society of the Friends of the Virus, Michael Dobrindt und Tabita Rezaire, als Screening von Melanie Bonajos Night Soil Trilogy, als Vortrag zur Dekolonisation von Mensch-Natur-Beziehungen mit n.n. sowie als Führung mit Produktionsgespräch. Als Flagge im Garten, als Eröffnungsrede, und als dieser Text.
Vorstellungen davon, dass Natur und Kultur strikt voneinander getrennte Sphären seien, wurden in unserer sogenannten westlich-abendländischen Kultur vor etwa 600 Jahren mit der Renaissance im Rückgriff auf einige Denker des klassischen Griechenlands eingeführt. Seitdem wurden sie im Laufe von Aufklärung und später der verschränkten Entstehung von Kapitalismus, Moderne und Kolonialismus institutionalisiert und zum Fundament unseres Verständnisses der Welt – der westlichen Kosmologie. Mit diesem Gegensatzpaar auf die eine oder andere Art und Weise verbunden, lassen sich weitere begriffliche Gegensätze anführen: Himmel - Erde, Geist - Körper, rational - emotional, objektiv - subjektiv, kultiviert - unkultiviert, sauber - dreckig, drinnen - draußen, hell - dunkel, Reinheit - Sünde, männlich - weiblich, zivilisiert - unzivilisiert, modern - tradionell, spirituell - materiall, u.v.a.m.
Seit immer schon und seit längerem immer mehr gibt es aus unterschiedlichsten Kontexten Kritik an diesen Trennungen und auch Gegenentwürfe dazu. Heute nun im Zuge von Klimawandel bei gleichzeitig weiter beschleunigendem technologischen Wandel wird hier, mitten im Zentrum der westlichen Welt deutlicher denn je, was seit einigen Jahrzehnten nun auch immer mehr westliche Wissenschaftler:innen in ihren Forschungen feststellen: Natur und Kultur, Welt und Zivilisation, Nichtmenschliches und Menschliches sind keine voneinander getrennten Sphären und waren es nie.
Wir sind nie getrennt gewesen verhandelt auf künstlerische Weise verschiedene mit der Trennung von Natur und Kultur verbundene Vorstellungen und Dynamiken, ihre historischen Ursprünge und gegenwärtigen Ausprägungen, ihre Überschneidungen, ihre Störungen und Auflösungen und ihre eventuellen Zukünfte. Dabei legt sie einen besonderen Fokus auf Arten und Weisen des Ausstellens, Domestizierung von Natur, Technologie, Oberflächen, Spiritualität, Gender, Sexualität, Dekolonisation, Heilung, Herrschaft und Autonomiebestrebungen.
Wenn dem Dreck, den Dingen, der Erde, den Pflanzen, den Tieren und natürlich auch den menschlichen Körpern, die bisher nicht als ganze Menschen behandelt werden, auch ein Werden und ein Wollen zugestanden worden sein wird; und sie keine tote, nur den Gesetzen der Mechanik folgende Materie und wegwerfbares Material mehr sind; wenn sie anerkannte Mitspielende im Konzert und Krieg unseres alltäglichen sozialen Lebens geworden sind – dann könnte Trennung auch Umarmung sein.
Wir sind nie getrennt gewesen wird sehr freundlich von der Stiftung Niedersachsen gefördert.
Produktionsgespräch + Führung
Im Anschluss an eine kommentierte Führung durch die Ausstellung Wir sind nie getrennt gewesen sprechen Birte Heier und Sebastian Stein mit Michael Dobrindt über die inhaltlichen Hintergründe der Ausstellung, über die Auswahl der teilnehmenden Künstler:innen, über den Prozess des Aufbaus und weitere Themen.
Screening von melanie bonajos Night Soil Trilogy
im Rahmen der Ausstellung Wir sind nie getrennt gewesen - jenseits von Natur und Kultur zeigen wir alle drei Teile von melanie bonajos Night Soil Trilogy (2014 - 2016) in Originalfassung mit deutschen Untertiteln hintereinander.
Night Soil (2014-2016) ist ein experimenteller Dokumentarfilm in drei Teilen - Fake Paradise (2014), Economy of Love (2015) und Nocturnal Gardening (2016) – der die enorme Abkopplung der meisten westlichen Menschen von der Natur zeigt. In einem semi-dokumentarischen Stil erkundet melanie bonajo, wie Menschen heute mit dem Gefühl der Fragmentierung und Entfremdung umgehen. Die Hauptfiguren in ihren Videos sind auf der Suche nach neuen Ritualen, einer anderen Beziehung zur Natur und einer Neubewertung von Gendervorstellungen, mit dem Ziel das nagende Gefühl der Leere zu bekämpfen. Nicht selten sind dabei illegale und alternative Lebensweisen involviert, die außerhalb des etablierten Systems existieren. bonajo schildert dies mit Leidenschaft und Eleganz sowie gelegentlichen Ausbrüchen von Absurdität, und scheu sich dabei auch nicht, selbst ins Bild zu treten. Unter einer Schicht von Humor und scheinbarem Chaos verbirgt sich eine ambivalente Haltung zu allen möglichen technologischen und kapitalistischen Entwicklungen der modernen Gesellschaft. Semi-dokumentarische Szenen wechseln sich ab mit halluzinogenen Fragmenten, die bonajos Phantasie entspringen, welche aus einer intensiven Zusammenarbeit mit den Hauptfiguren entstanden sind. Diese sind vor allem Frauen, denn bonajo ist der Meinung, dass ihre Stimmen auch heute noch zu wenig gehört werden.
melanie bonajo, Night Soil - Fake Paradise, film still painting (2014)
melanie bonajo, Night Soil - Fake Paradise, film still painting (2014)
melanie bonajo, Night Soil - Nocturnal Gardening (2016)
Vortrag und Gespräch mit Dr. Boniface Mabanza Bambu
Jenseits von Natur und Kultur: Zukunftsfähigkeit durch Heilung der Beziehungen zwischen Menschen und Mitwelt
Dr. Boniface Mabanza Bambu
Kolonialisierung war ein multidimensionaler Zerstörungsprozess: Sie betraf die als anders konstruierten Menschen in den kolonisierten Gebieten, ihre Mitwelt und Frauen selbst in kolonisierenden Gesellschaften. Die Dekolonisierungsprozesse, die im Fall von Afrika in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen, konzentrierten sich zunächst auf politische Dimensionen, die immer noch nicht abgeschlossen sind. Die ökonomische Dekolonisierung beginnt erst jetzt. Zeitgleich gewinnt die epistemische Dekolonisierung immer mehr an Bedeutung. Diese versucht unsichtbar gemachte und abgewertete Kosmosvisionen wieder zu beleben, welche u.a. die Heilung der Beziehungen zur Mitwelt als condition sine qua non für die Zukunftsfähigkeit der Menschheit betrachten. Dieser Vortrag will Aspekte dieser epistemischen Dekolonisierung im Blick auf die Beziehungen zwischen Menschen und Mitwelt aufgreifen und aufzeigen, warum diese Dimension der Dekolonisierung im aktuellen Kontext multipler Krisen, die das Überleben der Menschheit bedrohen, von zentraler Bedeutung ist.
Dr. Boniface Mabanza Bambu ist in der Demokratischen Republik Kongo unter Mobutu geboren und promovierte an der Universität Münster zum Thema „Gerechtigkeit kann es nur für alle geben. Globalisierungskritik aus afrikanischer Perspektive“. Er arbeitet als Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in der Werkstatt Ökonomie/Heidelberg seit 2008 mit den Schwerpunktthemen Handelspolitik, Rohstoffpolitik, Schuldenpolitik und Globalisierung und als Trainer für Entwicklungspolitik, Dekolonisierung und Antirassismus für verschiedene Institutionen. Er ist aktiv in zahlreichen Netzwerken der Afrikanischen Diaspora in Deutschland und Europa, hat zahlreiche Artikel zu verschiedenen afrika-relevanten Themen veröffentlicht, war Gastprofessor an der Goethe Universität Frankfurt und von 2018 bis Mai 2021 eines der 24 Mitglieder der Fachkommission Fluchtursachen der Bundesrepublik Deutschland.
Der Vortrag findet im Rahmen der Ausstellung Wir sind nie getrennt gewesen - jenseits von Natur und Kultur statt.
Jahreshauptversammlung Kunstverein Langenhagen
Wir laden alle Mitglieder herzlich zur Jahreshauptversammlung des Kunstverein Langenhagen am Dienstag, 5. Dezember 2023 von 18.30 bis 20.30 Uhr in die Räume des Kunstvereins ein.
Während der Versammlung werden wir auf die Finanzen, das Protokoll des Vorjahres und die Ausstellungen und Projekte des vergangenen Jahres zurückblicken. Außerdem gibt es einen Ausblick auf die Pläne für das kommende Jahr. Und nicht zuletzt werden der Vorstand wieder- sowie neue Beiräte dazugewählt.
Mitgliederbar
Liebe Freund:innen und Mitglieder des Kunstvereins Langenhagen,
aus dem Wunsch heraus, mehr in Kontakt mit den Mitgliedern des Kunstrvereins zu sein, laden wir Sie und Euch ganz herzlich zum ersten Mitglieder-Barabend ein. In angenehmer Atmosphäre wollen wir mit Ihnen und mit Euch nach der Mitgliederversammlung ins Gespräch kommen, hören wie es Ihnen und Euch mit dem Kunstverein geht und nicht zuletzt auch den einen oder anderen Wein probieren.
Wir freuen uns auf Ihren und Euren Besuch, ein Wiedersehen oder kennenlernen und den gemeinsamen Austausch!
Lieben, Leben und Sterben in Symbiose mit Lucile Olympe Haute
Eröffnung am Mittwoch 13.12.2023, 19 Uhr
Die Ausstellung wird sehr freundlich von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der Sparkasse Hannover gefördert.
Eröffnung
Lieben, Leben und Sterben in Symbiose mit Lucile Olympe Haute